Was bringt einen dazu, sich jahrelang abzumühen und einen neuen Flieger zu entwerfen und zu bauen, wenn man doch schon ein paar Formen herumstehen hat? Das haben wir uns manchmal auch gefragt. Aber trotzdem weitergemacht. Denn es ist irgendwie der Drang, seine Erkenntnisse und Ideen, wie sich das Vorhandene verbessern lässt, in die Tat umzusetzen. Und dann ist da natürlich auch der Ehrgeiz, das selbst durchzuziehen. Und richtig spannend wird es erst durch die gewisse Unsicherheit, die immer da ist, ob der neue Flieger wirklich so gut wird, wie man sich das immer vorgestellt hat.
Jedenfalls sind Martin
und ich ungefähr zwei Jahre mit unseren selbstgebauten Europhias geflogen.
Und das auch ziemlich erfolgreich auf Wettbewerben. Dabei lernt man recht schnell
die Stärken und Schwächen des Konzepts kennen. Zu der Europhia muss
man sagen, dass sie zwar eine super Gleitleistung im Streckenflug (geht wahrscheinlich
nicht viel besser...) und auch Sinkgeschindigkeit besitzt, aber für F3B
im Speedflug irgendwie zu langsam ist.
Am Hang (F3F) ist sie zwar bei schwachen Aufwindverhältnissen sehr gut
(ähnlich F3B-Streckenflug), doch es fehlt ein bisschen an Wendigkeit. Und
wenn es richtig trägt (und die Luftdichte groß ist), kommt wieder
nicht so der Speed auf, der eigentlich drin wäre. Dafür ist sie super
gutmütig und man hat ziemlich große Reserven im Langsamflug.
Solche Einschätzungen lassen sich im allgemeinen erst nach langwierigen
Vergleichen mit anderen Fliegern fällen, aber da die Europhia ziemlich
weit verbreitet ist und andere Piloten zu den gleichen Ergebnissen kommen, wird
da schon was dran sein.
Schauen wir uns doch einmal an, woran das liegt:
Die Europhia ist mit 3
m Spannweite ein nicht gerade kleiner Flieger und die Streckung von 14 ist nicht
sehr hoch. Sie besitzt einen Profilstrak von HD 48 in der Mitte auf HD 48B im
Aussenflügel. Durch die relativ große Wölbung von 2,5% sind
die guten Leistungen im oberen und mittlere Auftriebsbereich zu erklären.
Die Auftriebsreserven ermöglichen es auch, mit recht viel Ballast zu fliegen.
Die Europhia ist recht unempfindlich bezüglich "Überbleien".
Wenn es dann doch einmal nicht wie erhofft trägt, nimmt sie das nicht gleich
übel. Das ist durch die tiefen Aussenflügel und die Zunahme der Profildicke
nach aussen zu erklären. Dadurch kommt ein Abriss zuerst in Flügelmitte
und macht sich durch Durchsacken bemerkbar.
Das Profil wurde meines Wissens auch mit XFoil entwickelt, so dass die Auswirkungen
laminarer Ablöseblasen eigentlich Berücksichtigung gefunden haben
müssten. Dabei wurde aber wohl zuviel Wert auf den oberen Auftriebsbereich
gelegt. Jedenfalls endet die Laminardelle des HD48 bei speedflugtypischen Re's
unten bei etwa ca=0,2. Deshalb geht ohne Negativklappe im Schnellflug nichts.
Geometrie
(jpg 50k)
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Profilkonturen
(pdf 87k)
|
Geschwindigkeitsverteilungen
(pdf 67k) |
XFoil-Profilpolaren |
In den 100k und 200k Polaren sieht man schön die Auswirkungen der laminaren Ablöseblase auf der Oberseite, deshalb hat sich bei uns auch ein Turbulator auf dem Aussenflügel bei ca. 40% bewährt. Dieser verringert ganz erheblich ein im Langsamflug manchmal auftretendes Pendeln, welches wohl dadurch zu erklären ist, dass der rücklaufende Flügel in den Bereich der Blase gerät (Abnahme der Stabilität).
Das Auslegungsziel war also ziemlich klar - der Freestyler sollte vor allem im untersten Auftriebsbereich bessere Leistungen haben. Wenn man sich nämlich einmal ausrechnet, was für cA's man beim Rumheizen so fliegt, merkt man schnell, dass man quasi bei null ist - cA=G/(r/2*v²*F). Bei niedrigen Auftriebsbeiwerten wird der Widerstand hauptsächlich durch den Profilwiderstand (Reibungs- + Druckwiderstand) bestimmt. Aber dazu später mehr.
Weiterhin war eine große Wendigkeit gefordert, um auch an kleineren Hängen gut fliegen zu können. Ausserdem sollte der Freestyler gut transportierbar sein, damit die Mitnahme in den Urlaub nicht an der Transportkapazität scheitert. Dem kommt auch der geringere Flächeninhalt entgegen - man benötigt nicht mehr so viel Ballast. Das erleichtert evtl. erforderliche Wanderungen an den Startplatz:-)
Wie schon weiter oben angesprochen, war das Auslegungsziel ein Profil zu finden, welches im unteren Auftriebsbereich besonders wenig Widerstand entwickelt - was die große Schwäche der Europhia ist. Als Referenzprofil diente dabei vorrangig das RG15, welches trotz seiner 31 Jahre noch ein super Profil ist. Die Erfolge der Ellipse 2V beweisen es. Natürlich hätten wir um auf Nummer sicher zu gehen auch ein RG15 als Grundlage nehmen können. Aber es würde doch wirklich langweilig werden, wenn jeder Flieger damit rumfliegen würde.
Anfänglich konnte
ich zur Analyse der Profil-Polaren nur auf Winprof Professional zurückgreifen.
Erst später wurde XFoil unter GPL im Internet erhältlich.
Ersteres bietet zwar den Vorteil einer deutlich kürzeren Rechenzeit und
ist auch relativ unempfindlich auf unterschiedlich feine Verteilung der Koordinaten.
Aber es wird nur eine potentialtheoretische Rechnung durchgeführt, wobei
Verdrängungseffekte der Grenzschicht (vornehmlich laminare Ablöseblasen,
LABn) nur als Blasenmodell aufgesetzt werden. Das funktioniert bei relativ hohen
Re's (ca. 500k) ganz gut.
In XFoil werden aber die Gleichungen für reibungsfreie Außenströmung
und reibungsbehaftete Grenzschicht gelöst, so dass die Auswirkungen von
LABn sehr realistisch widergegeben werden. Diese sind nämlich im für
Flugmodelle typischen Reynoldszahl-Bereich genauso widerstandsdominierend wie
die Verteilung laminarer und turbulenter Grenzschicht. Die Umschlagslage wird
mit einem e^n-Kriterium ermittelt. Dieses geht davon aus, dass in der Praxis
immer vorhandene Störamplituden ab einer bestimmten Anfachung zum Umschlag
führen. Der Vorteil ist hier, dass man durch Wahl des Exponenten n das
kritische Anfachungsverhältnis der Praxis anpassen kann.
Wie meine früheren
Rechnungen schon gezeigt hatten, kann man i.a. mit negativen Klappenausschlägen
das untere Ende der Laminardelle nur leicht nach unten verschieben. Das funktioniert
bis zu Ausschlägen von ca. -1° ganz gut ohne eine nennenswerte Widerstandszunahme.
Darüber lässt sich ein Umschlagen am Klappenknick meist nicht vermeiden,
weil die im Speedflug größere Re-Zahl zu einer deutlich größeren
Empfindlichkeit der laminaren GS gegenüber Störungen führt.
Deshalb war eine Forderung, dass bei hohen Geschwindigkeiten keine negativen
Klappenausschläge nötig sein sollten. Um aber auch im oberen Auftriebsbereich
nicht zuviel Leistung zu verschenken, sollte die Laminardelle möglichst
nur leicht unter ca=0 reichen.
Um gleich bei den hohen ca's zu bleiben: Hier wollten wir unbedingt ein Profil haben, welches ein ca_max über 1,1 liefert. Wir fliegen nunmal gern mit hoher Flächenbelastung, und das lässt sich gefahrloser machen, wenn doch ein paar Reserven für den Notfall vorhanden sind.
Wie lassen sich die beiden Forderungen nach wenig Widerstand im unteren ca-Bereich und hohem Maximalauftrieb mit vertretbarem Widerstand nun vereinen? Da am Anfang XFoil mit der Möglichkeit zum inversen Profilentwurf noch nicht zur Verfügung stand, probierte ich, verschiedene Ober- und Unterseiten von Profilen zu kombinieren. Ganz grob gesagt ist der Verlauf der Umschlagslage auf der Oberseite für hohe Anstellwinkel und umgekehrt die Unterseite für den Schnellflug verantwortlich, weil die jeweils andere Seite günstige Bedingungen für laminare GS hat. Deshalb lag der Gedanke nahe, eine Thermikoberseite mit einer Speedunterseite zu kombinieren.
Nach einigem Rumprobieren
wurde das AH37 ausgewählt, welches ab dem Mittelknick nochmal zum AH69sm
verändert wurde. Dieses verfolgt das folgende Profilkonzept: Die Oberseite
ist dem SD8000 entlehnt und so gestaltet, dass die Umschlagslage relativ lange
weit hinten bleibt. Dadurch hat man in einem weiten Anstellwinkelbereich die
Voraussetzung von möglichst langer laminarer Laufstrecke erfüllt.
Das bedingt aber einen etwas steileren Druckanstieg im hinteren Bereich, weil
für gleichen Auftriebsbeiwert (~Fläche zwischen den Druckverteilungskurven)
der eher flache Geschwindigkeitsverlauf vorne etwas angehoben wird.
Um nun keine Probleme mit großen LABn zu bekommen, ist die Verwendung
eines Turbulators sinnvoll. Wie die gerechneten Polaren ohne Turbulator zeigen,
führt sonst der Druckwiderstand der Blase auf der OS v.a. im mittleren
Auftriebsbereich zu einem erheblichen Widerstandanstieg. Das liegt daran, dass
die Blase quasi die Kontur verändert und wegen der veränderten Druckverteilung
zu einem geringerem Druck (Ablösung) im hinteren Profilbereich führt.
Das führt zu einer nach hinten gerichteten Kraftkomponente.
Ein Turbulator führt nun dazu, dass zusätzliche Störamplituden
in die GS eingebracht werden, welche nach einer Anfachung zum Umschlag führen
(wenn sie ausreichen und nicht weggedämpft werden...). Das erklärt
auch, warum die GS direkt hinter dem Turbo i.a. noch nicht turbulent ist, sondern
erst nach einer gewissen Laufstrecke. Der Sinn der Sache ist, dass eine turbulente
GS nun den Druckanstieg ohne Ablösung überwinden kann. Der Wegfall
(bzw. die Verkleinerung) der Blase spart erheblich Druckwiderstand ein.
Profilkonturen
(pdf 54k)
|
Geschwindigkeitsverteilungen
(pdf 83k)
|
XFoil-Polaren |
weitere XFoil-Polaren:
AH69sm vs. HN466 (pdf 69k)
AH69sm mit Turbulator (pdf 54k)
Zu den Polaren ist noch zu sagen, dass bei den hohen Re's eigentlich nur der unterste ca-Bereich interessant ist. Wie oben bereits angesprochen, sind die ca's im Speedflug außer in der Wende nämlich sehr klein.
Der
Vorteil der relativ konstant weit hinten liegenden Position des steileren Druckanstiegs
(Beginn der LAB) beim SD8000 ist nun, dass man den Turbo weit hinten platzieren
kann. Das spart bei hohen Re's erheblich Widerstand, wenn der Umschlag quasi
direkt am Turbo erfolgt.
Da die Nase dieser Oberseite recht rund ist, sollte ein einigermaßen hohes
ca_max herauszuholen sein. Dass dann der Umschlag schnell nach vorn wandert,
würde nicht so kritisch sein, weil der induzierte Widerstand dann sowieso
zu hohen Gesamt-cW's führt. Prozentual ist also der Verlust nicht so groß.
So war jedenfalls die Idee. Dass es einiges Experimentieren mit den Turbulatoren
erfordern würde, war klar.
Die Unterseite wurde so
ausgewählt, dass sie quasi im gesamten nutzbaren Auftriebsbereich 100%
laminar bleibt. Dazu bot sich die des MH31 an, weil sie fast gerade ist. Es
ist nämlich wichtig, dass der Druckanstieg möglichst erst ganz am
Ende der Unterseite erfolgt, weil in beschleunigter Strömung die Stabilität
der laminaren GS gegen Störungen größer ist. Damit das in der
Praxis auch funktioniert, ist eine Verlegung des Klappenscharniers auf die US
nötig. Die Dichtlippe wirkt sonst als Turbulator.
Das entstandene Profil hat nun noch den Vorteil eines relativ kleinen Momentenbeiwertes
von etwa cm0=0,045. Das spart Höhenleitwerksfläche und verringert
Torsionsprobleme, was beides wiederum der Schnellflugleistung zu gute kommt.
Außerdem ist die eingeschlossene Fläche der Klappen wegen des recht
stumpfen Profilendes schön groß. Vorteil wieder viel Torsionssteife
bei geringem Gewicht.
Dass dieses Profilkonzept
für F3F einigermaßen zu funktionieren scheint, ist ja eigentlich
durch die jüngsten Erfolge von Martin (2. Platz
Int. DM F3F 2000, Bergkristall Annaberg F3F 2001) bestätigt worden. Wie
es bei F3B aussieht, wird sich nächstes Jahr zeigen. Zum ersten F3B-Einsatz
des Freestylers dieses Jahr war das Setup ja noch nicht richtig ausgereift.
Allerdings hätten wir für F3B schon wieder bessere Profile in der
Schublade...
Nun noch ein paar Erläuterungen
zur Geometrie:
Weil man normalerweise mangels Robustheit im Außenflügel mit der
Laminatdicke nicht zu weit zurückgehen kann, haben breite Außenflügel
trotz des potentiellen statischen Vorteils von mehr umschlossener Fläche
und mehr Bauhöhe i.a. den Nachteil einer höheren Massenträgheit.
Das war ein Grund dafür, warum wir eine eher hohe Zuspitzung wählten.
Der andere ist der Vorteil einer geringeren Oberfläche trotz gleichen Auftriebs.
Um
das zu veranschaulichen betrachten wir einmal die Auftriebsverteilung, wie sie
mit dem Excel-sheet "Liftroll" von John Hazel ermittelt wurde. Dies
ist ein panel-Verfahren, das auch unsymmetrische Klappenausschläge modelliert.
Hier ein paar Downloadlinks mit Hinweisen:
- http://www.geocities.com/jebbushell/COOKBOOK.htm
- http://www.charlesriverrc.org/links_technical.htm
Das Ziel ist ja eine elliptische Zirkulations-(Auftriebs-)verteilung. Da die
Zirkulation G proportional ca*t ist, liegt
die maximale Zirkulation in der Flügelmitte durch das ca_max und die Wurzeltiefe
fest. Nach aussen muss G dann elliptisch
abnehmen, wenn cwi minimal sein soll. Deshalb ist es egal wieviel Tiefe und
damit Fläche aussen noch folgen. Es wird immer die gleiche Auftriebskraft
erzeugt. Bei kleiner Außentiefe ist nur das ca höher. Dafür
wird aber viel weniger Oberfläche umspült, damit ist die Widerstandskraft
des Flügels i.a. geringer.
Das lässt sich aber nur soweit fortsetzen, bis ca aussen gleich oder größer
als das ca an der Wurzel wird. Dann nämlich kommt ein Abriss mit Sicherheit
zuerst aussen, was meist nicht so angenehm ist. Dabei wurde vorausgesetzt, dass
das ca_max über die Spannweite konstant ist.
Außerdem nimmt natürlich die Re-Zahl immer weiter ab, was für
das cw und die Linearität der ca-alpha-Kurve nicht gut ist. Also gibt es
ein Optimum bei etwas überelliptischer Tiefenverteilung.
Wie weit man sich dort herantastet, ist vornehmlich eine Frage des Überziehverhaltens.
Dass das aber nicht ganz so schlimm ist, habe ich bei meinem Apogee gesehen,
welcher eine sehr hohe Zuspitzung hat und trotzdem super gutmütig ist.
Die nächste Frage
die sich stellt, ist dann die nach der Streckung. Hier wurde mehr oder weniger
empirisch vorgegangen, da sich dies nicht so leicht beantworten lässt.
Es kommt sehr stark auf die zu erwartenden Flugbedingungen an, unter denen der
Flieger optimal sein soll. Da sich diese aber über einen weiten Bereich
erstrecken, ist ein Kompromiss nötig.
Einerseits wollten wir etwas mehr Streckung als bei Europhia haben, andererseits
macht das bei einem kleineren cA_max nicht viel Sinn. Der Widerstandsgewinn
durch größere Re-Zahl ist nämlich nicht zu unterschätzen.
Deshalb kam dann 14,3 raus, gegenüber 14 bei Europhia nur unwesentlich
mehr.
Bei der Auslegung der Leitwerksgröße hinsichtlich Stabilität griff ich auf mein Excel-sheet zurück, das auf den von Helmut Quabeck in seinem Buch "Design, Leistung und Dynamik von Segelflugmodellen" zusammengefassten Formeln beruht. Eine wesentliche Forderung war eine Wendedämpfung größer als 0,08, damit Störungen um die Hochachse (Pendeln) schnell abklingen. Das führte zu einem relativ langen Heckausleger. Die Nickdämpfung ist dank eines Öffnungswinkels des V-LWs von 103° mit -7 recht klein geblieben. Dafür ist das Stabilitätsmaß mit neutralen Klappen für eine Schwerpunktlage von 8,7 cm mit 12% relativ groß, was an dem ziemlich kleinen Momentenbeiwert liegt. Hier sollten aber noch genügend Reserven für positve Klappenausschläge (snap-flap) übrig bleiben und die Agilität (Winkelbeschleunigung) sollte nicht zu klein werden.
Bei der Europhia war uns die etwas zu geringe EWD schon immer ein Dorn im Auge gewesen. Wegen des etwas größeren Nullauftriebswinkels des AH37 und um im Grundzustand ein leicht tragendes Leitwerksprofil zu erreichen, bauten wir im Rahmen unserer Messgenauigkeit (bei V-LW immer etwas schwierig) eine EWD von 1,5° ein. Tragendes LW-Profil deshalb, weil im Langsamflug am LW Auftrieb produziert wird. Weil dazu die Klappe auch noch nach oben ausschlägt, ist es für das Überziehverhalten gut, etwas vorzuhalten.
Andreas, 30.12.2002